Grundlagen der Bahnstromversorgung

Bahnstromversorgung in Deutschland

Die Bahnstromversorgung in Deutschland erfolgt bis auf wenige Ausnahmen (z.B. S-Bahn Berlin und S-Bahn Hamburg, die beide mit Gleichstrom fahren) mit einer Spannung von 15 kV und 16 2/3 Hz über Oberleitungen. Da die Bahnstromfrequenz nur ein Drittel der normalen Stromversorgung mit 50 Hz beträgt ist hierzu ein eigenes Bahnstromnetz erforderlich.

Im Ausland (siehe unser Beitrag →Bahnstromsysteme in Europa) erfolgt die Bahnstromversorgung teilweise über Gleichstrom bzw. Wechselstrom mit 50 Hz. Da es früher noch keine Mehrnormlokomotiven gab, war im grenzüberschreitenden Verkehr bei einem Systemwechsel ein Lokwechsel erforderlich.


Geschichte

Die ersten Kraftwerke zur Erzeugung von Bahnstrom mit 16 2/3 Hz befanden sich in Bayern (Baujahr ca. 1910). Dazu wurde die Wasserkraft genutzt, die von einem höheren Niveau zu einem niederen Niveau geleitet wurde (Wasserspeicher-Kraftwerk). Da die damaligen Wechselstrom-Loks nicht mit 50 Hz betrieben werden konnten, löste man das Problem durch die Senkung der Frequenz der erzeugten Spannung. Die Kraftwerke waren für den Normalverbrauch mit Generatoren für die Versorgung mit Drehstrom mit einer Frequenz von 50 Hz ausgerüstet. Da es damals noch nicht genügend Abnehmer für die elektrische Energie gab, wurden in die Kraftwerke auch noch zusätzliche Generatoren für den Bahnbetrieb mit einer Wechselspannung mit einer Frequenz von 16 2/3 Hz eingebaut. Um die Frequenz auf 16 2/3 Hz zu reduzieren, wurde die Polzahl der Generatoren bei gleicher Drehzahl auf ein Drittel reduziert (16 2/3 = 50/3).

Um elektrische Energie unabhängig von den Wasservorkommen erzeugen zu können, wurden in der Folge auch thermische Kraftwerke gebaut. Diese wurden zunächst ausschließlich mit Steinkohle betrieben. Später wurden auch Kraftwerke mit Braunkohle betrieben, was ausschließlich vom Standort abhing.

Bei der Reichsbahn des Deutschen Reiches und bei der Bundesbahn wurde das 110 kV Netz aufgebaut. Die daran angeschlossenen Unterwerke wurden als "zentral" bezeichnet, da sie alle miteinander verknüpft waren.

Bei der DR (DDR) sparte man sich das 110 kV Netz und setzte dezentrale Unterwerke ein. Dort wo 2 Abschnitte zusammen kamen, gab es Fahrleitungsabschnitte, die normalerweise mit Schwung durchfahren wurden. Wenn wirklich mal ein Zug dort stehen blieb, konnte der Abschnitt zugeschaltet werden.

Die dezentralen Unterwerke werden seit der Wiedervereinigung in das zentrale System umgebaut.

Für die Ende 2021 in Betrieb genommene Elektrifizierung der Strecke Ulm - Friedrichshafen - Lindau (Südbahn) hat man trotzdem das dezentrale System gewählt, da es zu zeitraubend erschien, dorthin eine spezielle 110 kV-Bahnstrom-Leitung zu legen. Die Umrichterwerke sind in Niederbiegen (bei Ravensburg) und in Leutkirch.  Dadurch ist keine spezielle Bahn-Hochspannungsleitung erforderlich. Sonst wäre die Inbetriebnahme inklusive der langwierigen Genehmigungsverfahren vielleicht erst in 10 Jahren möglich geworden. Auch die Strecke Geltendorf (bei München) - Buchloe - Lindau wird aus dem selben Grund dezentral versorgt.

Die Umrichterwerke, die noch mit rotierenden Maschinen laufen, werden nach und nach durch Umrichter (elektronisch) ersetzt.

Die Bahn hat nach 1950 keine eigenen Wärmekraftwerke mehr gebaut, sondern in Kraftwerken anderer Betreiber (RWE, Bayernwerk, Badenwerk usw.) Generatoren für 16 2/3 Hz einbauen lassen. Ein solcher Generator für 16 2/3 Hz ist z.B. im Großkraftwerk Mannheim eingebaut (125 MW).

Ab den 60er Jahren baute die Bahn Umformerwerke, in denen durch rotierende Umformer aus Drehstrom mit 50 Hz des öffentlichen Netzes, Bahnstrom mit 16 2/3 Hz erzeugt wurde. Die Einheiten bestehen aus einem 50 Hz Synchronmotor, der mit einem Generator für 16 2/3 Hz starr gekoppelt war (vereinfachte Darstellung). Solche Anlagen sind in Karlsruhe und Neu Ulm vorhanden.

Mit der Entwicklung leistungsfähiger elektronischer Bauelemente werden seit einigen Jahren statt solcher Umformer Umrichter eingesetzt, die rein elektronisch arbeiten.

Unterwerke

Für die Region Stuttgart gab es früher für den Bahnstrom ein zentrales Unterwerk auf dem Gelände des heutigen Müllverbrennungskraftwerkes in Stuttgart Münster. Dort standen früher neben 50 Hz-Generatoren auch 4 Generatoren für den Bahnstrom (16 2/3 Hz). Das zentrale Unterwerk wurde in der Nähe von Kornwestheim neu gebaut. Im Kernkraftwerk Neckarwestheim I war ein 125 MW Generator für Bahnstrom installiert. Dieser ist durch einen entsprechenden Umrichter ersetzt worden, der aus 50 Hz Drehstrom Bahnstrom (Wechselstrom) mit 16,7 Hz erzeugt. Dadurch musste an der Bahn-Hochspannungsleitung mit 110 kV, 16,7 Hz nichts geändert werden. Eine Hochspannungsleitung verbindet Neckarwestheim mit dem zentralen Unterwerk bei Kornwestheim.

Im Bereich des Netzes der S-Bahn Stuttgart gibt es folgende Unterwerke: Plochingen, Waiblingen, Leonberg, Bietigheim und Stuttgart-Rohr.

Fotos einiger dieser Unterwerke finden sich in den Webalben von Ulli Fetzer →Fotos Bahnstromversorgung

Im Bereich der Direktion Stuttgart gibt es zusätzlich folgende Unterwerke für den übrigen Eisenbahnverkehr: Eutingen im Gäu, Singen, Mühlacker, Amstetten, Essingen bei Aalen und Osterburken (Liste eventuell nicht vollständig)


Eine wahre Fundgrube ist die Wikipedia-Seite →Liste von Bahnstromanlagen in Deutschland


 Erstellt von Fridtjof Schmitt-Eisenlohr, Ingenieure22 - Stand 26.01.2022

Bahnstrom-Systeme in Europa

Zitat aus →Netzfrequenz (Wikipedia)

Die Unterschiede sind durch die historische Entwicklungsgeschichte der ersten Stromnetze in den 1880er und 1890er Jahren bedingt und haben heute keinen technischen Grund mehr.

Öffentliche Verbund-Stromnetze

Weltweit haben sich zwei Verbund-Netzfrequenzen etabliert:

  • In Europa, in großen Teilen Asiens, Australien, dem Großteil von Afrika und Teilen von Südamerika wird eine Netzfrequenz von 50 Hz verwendet.
  • Eine 60 Hz Netzfrequenz findet sich unter anderem in Nordamerika, Saudi-Arabien und Teilen von Japan.

In Verbundnetzen müssen alle Stromerzeuger wie Synchrongeneratoren in Kraftwerken synchron, also starr mit der Netzfrequenz, laufen.

Bahnstromnetze

Einige Eisenbahnen wie die ÖBB, SBB und die Deutsche Bahn nutzen für ihre Bahnstromversorgung eine nominale Frequenz von 16,7 Hz. Früher betrug die nominale Bahnnetzfrequenz 16 2/3 Hz, was genau einem Drittel der im Verbundnetz verwendeten 50 Hz entspricht. Einige Eisenbahnen und auch industrielle Abnehmer in Nordamerika werden aus historischen Gründen mit einer Netzfrequenz von 25 Hz versorgt. Die vergleichsweise niedrigen Netzfrequenzen resultieren aus der technologischen Entwicklung der ersten elektrischen Maschinen: Anfang des 20. Jahrhunderts konnte man elektrische Maschinen größerer Leistung nur mit diesen niedrigen Frequenzen bauen. Wegen des großen Umstellungsaufwandes werden jedoch die damals eingeführten niedrigen Netzfrequenzen auch noch heute beibehalten.


Die Bahnstromnetze in Europa sind historisch und national bedingt ein wahrer Flickenteppich. 

aus Wikipedia

aus Wikipedia - Legende:

750 V Gleichstrom | 1,5 kV Gleichstrom | 3 kV Gleichstrom |
15 kV, 16,7 Hz Wechselstrom | 25 kV, 50 Hz Wechselstrom |
nicht elektrifiziert

Bei Bahnnetzen in Europa verwendete Stromsysteme:

  • 750 Volt DC: Umgebung von London
  • 1500 Volt DC:  Niederlande, Teile in Frankreich u. a.
  • 3000 Volt DC:  Italien, Spanien, Polen, Russland, CZ u. a.
  • 15 kV, 16,7 Hz:  Deutschland, Österreich, Schweiz, Norwegen und Schweden. (seit 1912)
  • 25 kV, 50 Hz:  Teile in Frankreich, Portugal, Dänemark, Großbritannien (ohne irische Insel und Schottland), (Süd-)Osteuropa.
    Fast alle Schnellfahrstrecken in verschiedenen europäischen Ländern. (seit 1960)
  • Nicht elektrifiziert sind demnach: Irische Insel, Schottland, Sardinien, Korsika, Albanien, Zypern

Zunächst (um 1900) wurde auch bei Eisenbahnen das bei Straßenbahnen (600 V DC) bewährte Stromsystem mit niedriger Gleichspannung verwendet.
Allerdings mussten höhere Spannungen verwendet werden (1.500 V DC) um größere Lasten befördern zu können.
Für Fernbahnen war auch diese Spannung eigentlich zu niedrig, da man viele Einspeisepunkte benötigt um die ohmschen Verluste niedrig zu halten.

Mit steigender Leistung der Fahrzeuge stieg auch der Strom in der Fahrleitung an. Diese hätte größere Querschnitte der Fahrleitung erfordert, was aus mechanischen Gründen problematisch ist. (Montage und Elastizität)

Daher wurde bald der Wert der Gleichspannung auf 3.000 V DC erhöht. Eine höhere Spannung war nicht möglich, da die Fahrmotoren keine höhere Spannung vertragen.

Mit Wechselstrom-Motoren konnte die Spannung deutlich erhöht werden, da die Spannung mit dem Trafo auf der Lokomotive auf einen Wert gesenkt werden kann, den die Motoren vertragen.
Die um 1900 eingeführte Frequenz von 50 Hz für das allgemeine Netz war jedoch für die Bahn-Motoren damals (um 1910) noch ungeeignet.

Nach einigen Versuchen einigten sich manche Länder (Deutschland, Schweiz, Österreich, Schweden, Norwegen) auf die Verwendung von 16 2/3 Hz (= 50/3).

Damit waren 2 Nachteile verbunden:

  • Die Bahn benötigt ein eigenes Hochspannungsnetz für die andere Frequenz, was erhebliche Investitionen und dadurch Kosten zur Folge hat.
  • Der Trafo auf der Lok ist 3 mal so schwer als dies beim Betrieb mit 50 Hz der Fall ist.

Seit 1960 wurde im Norden von Frankreich das Netz mit 25 kV und 50 Hz elektrifiziert.
Es waren Lokomotiven ausgerüstet mit rotierenden Umformern, Quecksilber-Dampf-Gleichrichtern oder Selen-Gleichrichtern.
Alle Varianten waren aufwendig oder sehr empfindlich besonders bezüglich Spannungsspitzen.

Man wollte unbedingt ein separates Hochspannungsnetz wie in Deutschland vermeiden.

In Frankreich ist das Netz im Süden mit 1.500 V DC elektrifiziert, während im Norden das Netz mit 25 KV, 50 Hz elektrifiziert ist.

Daher sind heute alle Züge in Frankreich mindestens für beide Stromsysteme ausgerüstet. Die schnellen Strecken für der TGV sind mit 25 KV, 50 Hz ausgerüstet, während in der Umgebung von Großstädten der TGV auch auf Strecken mit 1.500 V DC fahren können muss.


Erst mit der Entwicklung von geeigneten Umrichtern (die ab ca. 1987 zur Verfügung stehen) sind 50 Hz bei Eisenbahnfahrzeugen kein Problem mehr.

Inzwischen haben diese Fahrzeuge, dank der Qualität der leistungselektronischen Bauteile eine sehr große Zuverlässigkeit. Mit diesen Loks, sofern das technisch gewollt wird, können die bestehenden Systemgrenzen überwunden werden.

Viele Loks und Triebwagen, die heute verwendet werden, sind für alle in Europa gängigen Bahn-Stromsysteme geeignet.

 

Erstellt von Fridtjof Schmitt-Eisenlohr, Ingenieure22 - Stand 26.01.2022