Videos zu Evakuierungssimulationen

Videos zu Evakuierungssimulationen

Lange Zeit war uns der Weg zu Parametern, die einer Fluchtsimulation zugrunde gelegt wurden, versperrt. Auf der 502. Montagsdemo hat Dr. Gert Meisel den Weg beschrieben, wie wir über das Urteil am VGH in Mannheim zur Einsicht in bislang geheim gehaltene Unterlagen zur Evakuierung (Entfluchtung genannt) im Tunnel kamen. Diese Unterlagen seien hier der Einfachheit halber „Grunerbericht" genannt.

So konnten wir nun unser Simulationsprogramm (*) "eichen":

Wir verwendeten die Einstellwerte des Grunerberichtes als Grundlage und simulierten den als den günstigsten anzunehmenden Fall (best case):

 

Abbildung 1: Bildschirmfenster des Simulationsprogramms SimWalk mit Erläuterungen, ICE steht mittig zwischen zwei Querschlägen, Evakuierung von 1757 Personen, kein Brand.

→Hier geht's zum Simulationsvideo: Grunerbericht_1757P_bestcase.mp4

Die Parameter sind: Halt des Zuges in der Mitte des Tunnels zwischen zwei Querschlägen mittig, kein Brand (genauso, wie im Grunerbericht), die Benutzung zweier Querschläge zur Entfluchtung, somit maximal ca. 250 m Entfluchtungsweg für insgesamt 1757 Personen (die lt. EBA-Formel im Zug sein sollten). Soweit Bewegungswerte definiert waren, wurden diese übernommen. Wir kommen bei diesen Simulationen auf ähnliche Werte wie die Deutsche Bahn und die Gruner AG. Mit diesen Daten wurde der Brandschutz von Stuttgart 21 durchgewunken. Das Simulationsvideo zeigt die Entfluchtung eines ICE in einer Tunnelröhre im Zeitraffer. Die Simulation beginnt bei Minute 2. Ein kleiner Punkt ist jeweils ein Mensch, die Farben entsprechen bestimmten Bewegungseigenschaften. Ab Minute 16 sind alle Passagiere zumindest in den Querschlägen, die Simulation endet mit Minute 17:45, in der Darstellung dank des Zeitraffers nach insgesamt 1 Minute 34 Sekunden. Die Ereignisröhre ist demnach nach etwa 14 Minuten (16 - 2 = 14) geräumt. 

Dann haben wir einen Fall berechnet, der einem schlimmeren Ereignis entspricht, weil ein Querschlag nicht mehr nutzbar ist. Auf dem Weg dorthin versperrt ein Brand im Zug den Weg zum Querschlag (worst case):

Abbildung 2: Wie Abb. 1, aber ICE steht mit Triebkopf vor Querschlag 1, Evakuierung von nur 1004 Personen, Brand ab Minute 4 vor Querschlag 1.

→Hier geht's zum Simulationsvideo: Grunerbericht_1004P_worstcase.mp4

Alle Bewegungseinstellwerte bleiben wie die des Grunerberichtes des ersten Beispiels (Laufgeschwindigkeit, Körpermaße usw.). Es wurde nur für 1004 Personen simuliert.

Der Zug hält vor einem Querschlag in der Mitte des Tunnels, ein Brand bricht aus bei Minute 4, ab da können die Passagiere nicht mehr den (linken) Querschlag nutzen. Die restlichen Fliehenden müssen somit bis zu ca. 500 m zurücklegen bis zum nächsten Querschlag. 

Eine Selbstrettung sollte laut Vorschriften innerhalb von 15 Minuten möglich sein, man sieht, dass diese Zeit nur im best case erreicht wird, im worst case dagegen dauert es mehr als 30 Minuten, bis der letzte die Ereignisröhre verlässt. (vergleiche Zeit im Video). Im Fall "best case" gelingt es, die Zeit einzuhalten, im Fall "worst case" gelingt es nicht, obwohl es nicht einmal 2/3 der Leute sind. Man sieht auch, dass mobilitätseingeschränkte Personen bei der Selbstrettung völlig ins Hintertreffen geraten.

Um unsere gemachten Aussagen abzusichern haben wir unsere Evakuierungssimulationen neben SimWalk auch noch mit einer weiteren Software Pathfinder durchgeführt. Mit dieser Software hat auch die Gruner A.G. ihre Analyse durchgeführt. Exemplarisch ist der →Auszug einer „best case"-Evakuierungssimulation für die Evakuierung von 1757 Personen dargestellt. Nach 10½ Minuten (Zeit in Sekunden unten rechts) sind erst 1417 der 1757 Personen (Exited: 1417/1757) im sicheren Bereich angekommen.

Würde man zusätzlich die Rauchausbreitung berücksichtigen, wäre bei einem 53 Megawatt-Brand (**) der Bereich entlang des Zuges bereits nach weniger als 3 Minuten verraucht, es genügen drei Atemzüge, um ohnmächtig zu werden. Die Mehrzahl der Fahrgäste und des Personals hätte keine Chance.

Was die Deutsche Bahn AG vom „worst case" hält, kann man im DB-Dokument →BRAND- UND KATASTROPHENSCHUTZ IN EISENBAHNTUNNELN, Version 2.1 vom Februar 2002 im Kapitel 2.2.4 Ereigniswahrscheinlichkeit nachlesen:

 Die Betrachtung des „worst-case“, dessen Wahrscheinlichkeit in einem Eisenbahntunnel als sehr gering anzusehen ist und aufgrund seines Schadensausmaß kaum beherrschbar wäre, ist nicht zielführend. Ein Rettungskonzept muss sich an beherrschbaren und wahrscheinlichen Szenarien ausrichten, um im Ereignisfall einen optimalen Ablauf gewährleisten zu können.

(*) In diesem Fall benutzten wir das Simulationsprogramm SimWalk. (Wir nutzen im Allgemeinen mehrere Simulationsprogramme, z.B. Pathfinder und gelegentlich auch ASERI.)

(**) Der Brand in Montabaur am 12.10.2018 oder der in Offenbach am 22.11.2001 könnte so einem Brand nahe kommen, sie fanden glücklicherweise im Freien statt. Die Evakuierung ins Freie in Montabaur dauerte für 510 Reisende ca. 40 Minuten.