Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, „Gutes Konzept statt Notlösung für S21: Oben bleiben!", 465. Montagsdemo am 20.5.2019

Gutes Konzept statt Notlösung für S21: Oben bleiben!

Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Ingenieure22 für die 465. Montagsdemo am 20.5.2019

Liebe Freunde,

vor einer Woche erfolgte mit dem Demoteam die Absprache, dass ich einen Beitrag zur Auslegung der Planunterlagen für den Abstellbahnhof erarbeite. Und schon am nächsten Tag wurde im Regionalteil der Stuttgarter Presse ausführlich über dieses Thema berichtet – mit der bemerkenswerten Überschrift Bahn bereitet Notlösung für S21 vor. Das ist doch mal eine Ansage, die ich aber noch umstellen und schärfer fassen will: „S21 bringt die Bahn in Not und als Lösung gibt es nur den Umstieg“.

Zum Abstellbahnhof hat die Bahn nun ihren vierten (!) Antrag eingebracht – keine Planänderung, sondern die vorherigen Anträge wurden immer komplett zurückgezogen. Das ist ein ähnliches Planungschaos wie auf den Fildern. Es sind ja auch jeweils die „b“-Anträge (1.6b und 1.3b). Der Bahnknoten Stuttgart soll komplett neu gestaltet werden. Seit 9 Jahren wird mit ausufernden Kosten, immer wieder verschobenem Fertigstellungstermin und gravierenden Belastungen gebaut, und für einen Abstellbahnhof gibt es noch nicht einmal einen genehmigten Plan. In Hamburg hat ein Gericht den genehmigten Plan für den Bahnhofsumbau Altona gekippt, da der – aus meiner Sicht – vergleichsweise kleinere Teil einer Autoverladung nicht ordentlich geplant war. Bei uns hier in Stuttgart stören sich Politik, Bahn und Gerichte aber nicht am Planungschaos für den Abstellbahnhof, das Projekt lässt man einfach laufen.

Vor mehreren Jahren hat der damals amtierende Bahnchef postuliert, dass er dafür sorgen will, dass Projekte erst dann begonnen werden, wenn sie komplett geplant und genehmigt sind. Das macht ja viel Sinn, da es einen zügigen Bauablauf sichert. Aber offenbar hat dies keinerlei Folge für Projekte wie S21, die trotz unvollständiger Planung einfach mal so begonnen wurden. Statt die fehlenden Teile so schnell wie nur möglich fertig zu planen, lässt man sich dafür nun schon fast 10 Jahre Zeit und überlegt sich dann „Notlösungen“.

In der Rechtfertigung der jetzt ausgelegten Planung für 1.6b, heißt es, dass „ausreichend Abstellkapazität in räumlicher Nähe zum Hauptbahnhof zwingend erforderlich“ sei (Erl.-bericht III, S.12). Und nun kommt der Projektchef Herr Leger ins Spiel. Er nimmt seinen Namen wörtlich und legt der Bahn ein richtiges Kuckucksei ins Nest, denn in der Presse wird er zitiert, dass „das Projekt auch ohne Abstellbahnhof in Betrieb gehen“ könne. Was denn nun? Entweder ist die Rechtfertigung der Planung falsch oder Herr Leger ist – gelinde gesagt – einem Irrtum unterlegen. Denn „zwingend erforderlich“ lässt in der Logik keine Alternativen zu.

Sein „Plan B“ sieht vor, die Abstellung nicht nur 5 km entfernt vom Tiefbahnhof, sondern „weit weg“, also vielleicht 20 oder gar 50 km. Und wer soll die laufenden Kosten dafür tragen? Die neuen privaten Anbieter sicher nicht. Sie werden beim Land (Verkehrsministerium) abrechnen und dann kann nur weniger richtige Verkehrs(nutz)leistung bestellt werden.

Wir wollen aber keinen Plan B und auch kein Kuckucksei, denn es gibt eine Lösung, die ist einfach und gut – der bestehende und bewährte Abstellbahnhof Rosenstein. Um ihn zu nutzen, beginnen und enden die Züge im Hauptbahnhof oben und zur Abstellung fahren sie nur eine ganz kurze Strecke. Sie könnten natürlich auch wenden und in eine andere Richtung weiterfahren. Die Zufahrten von und nach Feuerbach, Bad Cannstatt und zur Gäubahn müssen dafür einfach nur erhalten bleiben. Falls die S-Bahn über die neue Station Mittnachtstraße geleitet wird, dann kann die Gäubahn auf der frei werdenden Strecke auch wieder durchgängig zweigleisig geführt werden.

Ohne einen Abstellbahnhof in Untertürkheim steht dann dort – quasi unterhalb der Weinberge – eine große Fläche (deutlich über 10 ha) für die Stadtentwicklung zur Verfügung. Dieses Gebiet ist nach der Verlegung weniger Gleise rasch verfügbar – sogar für die IBA27 – und ist verkehrlich bereits sehr gut erschlossen. Der Durchgangsverkehr ließe sich von der Augsburger Straße fast 100 Meter nach Westen an die Strecken von 1.6a verlagern. Dieses Gelände könnten die Landeshauptstadt und die Bahn gegen die Rückgabe der Bahnflächen für den Hauptbahnhof und den Abstellbahnhof Rosenstein verrechnen.

Aber nun doch noch einige Worte zu der eingereichten und nun öffentlich ausgelegten Planung. Sie kann im Internet (Regierungspräsidium Stuttgart – Planfeststellungsverfahren) und bis 12. Juni auch im Stadtplanungsamt in der Eberhardstraße eingesehen werden. Bis 12. August können Einsprüche an das Regierungspräsidium eingereicht werden. Dazu wird es sicher noch „Anregungen“ geben, z.B. von der Gruppe Ingenieure22 oder vom Infobündnis Zukunft Schiene.

Neben der Zufahrt über den Tunnel Wangen wird nun doch wieder eine zweigleisige Zufahrt von Bad Cannstatt aus geplant. Deren Bau wird aber zu massiven Beeinträchtigungen des S-Bahn-Verkehrs führen. Über der jetzigen Strecke der S1 zum Neckarpark und teilweise auch über der S2 und S3 soll eine Art Tunnelgebirge errichtet werden, um auf dem Deckel die zwei Gleise zum Abstellbahnhof zu führen. Nach den Hiobsbotschaften zum 3. Gleis am Flughafen kann dort wahrscheinlich einige Monate keine S1 fahren und auch die S2 und S3 sind betroffen.

Die geplante Außenreinigungsanlage ist eine Halle, die nach den Planunterlagen in der Kernzone des Heilquellenschutzgebietes von Bad Cannstatt errichtet werden soll. Ob die zur Sicherung der Mineralquellen geltenden Vorschriften eingehalten werden, dass müssen sich unsere Spezialisten genau anschauen.

Für die Innenreinigung abgestellter Züge ist ein einfacher Bahnsteig vorgesehen. Die Mittel und Geräte zur Reinigung sollen mehr als 100m entfernt in einem Gebäude untergebracht werden. Auch diese Reinigungsanlage liegt im Heilquellenschutzgebiet, aber nicht in der Kernzone.

An den Enden und auch in der Mitte des Abstellbahnhofs werden die Gleise durch Weichenstraßen verbunden. In der Mitte hat man dabei eine „Zick-Zack-Verbindung“ geplant, die durchaus an den Umbau des Gleisvorfeldes Hauptbahnhof erinnert und bei der sich jeder Lokführer im wahrsten Sinne des Wortes „verschaukelt“ fühlt. Ein schlimmer Zustand für alle, die eine gerade Gleisführung erwarten.

Neben den technischen Einsprüchen zu den ausgelegten Planungen helfen uns nun mal wieder die Eidechsen beim Kampf gegen ein nutzloses Großprojekt. Zur Haltung der Naturschutzverbände NABU und BUND berichteten die Zeitungen ja sehr ausführlich. Wir nehmen diese Unterstützung natürlich gern an.

Wenn es gelingt, den Abstellbahnhof in Untertürkheim zu stoppen, dann gibt es sehr gute Chancen, dass wir den Abstellbahnhof und den Kopfbahnhof dort behalten, wo sie jetzt sind. Das ist ein sehr gutes Konzept und nicht nur eine Notlösung. Es ist so einfach, dass die berühmten zwei Worte reichen:  Oben bleiben!