Brand im Stuttgarter Hauptbahnhof - Mangelhaftes Krisenmanagement der Deutschen Bahn

Ein Kabelbrand hat am Dienstagmorgen am Ende der Rush-Hour das gesamte Nah- und Fernverkehrsnetz um Stuttgart zum Erliegen und dann für Stunden völlig durcheinander gebracht. Das kann man hinlänglich aus zahllosen Pressemeldungen des Tages herauslesen.

Die Ingenieure22 sehen auf derartige Ereignisse mit ganz anderen Augen. Stehen sie doch in ständiger Auseinandersetzung mit der Deutschen Bahn, dem Vorhabensträger des eigenwirtschaftlich betriebenen Projekts Stuttgart 21. Da ist so ein Brand mit Evakuierung der Fahrgäste immer auch ein Testfall für den Ernstfall im zukünftigen Tiefbahnhof. Während heute der Kabelbrand seine giftigen Rauchschwaden ungehindert durch die offenen Dächer der Bahnsteige ins Freie entlassen kann, müssen sie im Tiefbahnhof durch ein komplexes System Natürlicher Rauch- und Wärmeabzugs-Geräte (NRWG) entweichen, damit die mit-eingeschlossenen Fahrgäste während der Phase der Entfluchtung nicht gefährdet sind. Doch was die Deutsche Bahn als Übung für den Ernstfall in den Genehmigungsprozessen für den Bau simuliert und was in Wirklichkeit in den meist weit weniger kritischen realen Unfällen erreicht wird, klafft unüberbrückbar auseinander.

So wird behauptet, dass mehr als 4000 Fahrgäste pro Bahnsteig in weniger als einer Viertelstunde den Bahnhof verlassen können, was wichtig ist dafür, dass niemand vom Rauch eingeholt wird und zu Schaden kommt. Doch auch heute hat es wieder fast eine Stunde gebraucht, bis der (ebene) Kopfbahnhof frei von Fahrgästen war. Da war es gut, dass der Rauch frei abziehen konnte.

Beispiellos ist die Krisenbewältigung für den Notbetrieb. Die elektronischen Helfer (DB-Navigator und VVS-App) waren nicht in der Lage, den eilig installierten Notbetrieb abzubilden und Informationen zur Planung von Ausweichrouten zur Verfügung zu stellen. Vom Beginn der Störungen bis zur Mittagszeit wurde alles vom Totalausfall bis zu Abfahrtszeiten von nicht fahrenden Regionalzügen angezeigt. Durchsagen? Fehlanzeige. Keine Anzeige und keine Applikation konnte nützliche Informationen liefern. Insider behaupten, dass die Eingabe der Notdaten über die Zentrale in Frankfurt laufe und dort die Schnittstelle die Daten nicht richtig an die verschiedenen Stellen weiterleite. Schon im Normalbetrieb brauche es 7 Minuten von der Eingabe bis zur Veröffentlichung. Jetzt im Fall der Bahnhofssperrung mit großräumiger Umleitung ist dieser Informationsweg völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Anzeigen in Göppingen zum Beispiel zeigten Vandalismus als Grund für die Störung an, ließen jedoch wie überall die Fahrgäste ohne konkrete Informationen allein.

Der Tag hat wieder einmal gezeigt, dass die Bahn auf Notlagen nicht im Entferntesten eingerichtet ist. Wieviel weniger wird man erwarten können bei einem kritischen Fahrzeugbrand im zukünftigen Fernbahnhof in Tieflage oder gar bei einem Brand im Tunnel, wenn der Rauch nicht mehr so einfach ins Freie abziehen kann. Bei einem Unfall im Tunnel muss erst die Rettungsröhre frei gefahren werden, bevor Rettungskräfte vordringen können. Von einer dritten Röhre (dem aktuellen Stand der Technik) können die Fahrgäste in Stuttgart nur träumen. Nicht einmal eine vertikale Rauchabsaugung ist vorgesehen, der Nachweis einer sicheren Entfluchtung ist nicht geführt.

5.2.2020 Ingenieure22

Rückfragen: Dipl.-Phys. Wolfgang Kuebart
Internet: www.ingenieure22.de / Kontakt: presse (at) ingenieure22.de
Hintergrundinfos / Presseportal: http://www.kopfbahnhof-21.de/presse/pressemitteilungen/

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